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Die Energieversorgung und deren Einfluss auf die Tiergesundheit und Milchleistung

FORSTART FÜTTERUNGSKONZEPT Teil 2

Dieser zweite Teil widmet sich explizit der Energieversorgung und deren Bedeutung für die Tiergesundheit und Leistung.

Für die Bewertung der Energieversorgung der Milchkühe wird in der Schweiz bekanntlich die Einheit MJ NEL verwendet. Die Kühe selbst und deren Stoffwechsel wissen dies nicht und trotzdem müssen sie täglich ihren Bedarf an Energie decken, um Erhaltung und Produktion zu gewährleisten. Zu diesem Zweck verwerten die Kühe aufgenommene Kohlenhydrate, Fette und Aminosäuren teils direkt oder über einen Umweg durch die Leber, wo sie in Glucose umgewandelt werden. Glucose ist die Energiewährung des Körpers und beeinflusst als solche die Milchbildung, Fruchtbarkeit und Immunität in grossem Ausmass.

Was ist Glucose?
Glucose wird im täglichen Gebrauch auch Traubenzucker oder Dextrose genannt und gehört zu den Kohlenhydraten. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Laktose (Milchzucker) und nimmt eine zentrale Rolle bei der Milchbildung ein. Entscheidend für die Energiebereitstellung im Körper ist der Blutglucosespiegel, auch Blutzucker genannt. Dieser wird durch die Menge glucosebildender Stoffe aus der Ernährung und vom Hormon Insulin beeinflusst.

Energiestoffwechsel der Kuh

Bedeutung von Glucose bei frisch gekalbten Kühen
Zu Beginn der Laktation ist der Futterverzehr noch limitiert und somit auch die Energieaufnahme. Die Kuh jedoch ist darauf gezüchtet worden, möglichst früh, möglichst viel Milch zu produzieren. Diesem Ziel ordnet der Stoffwechsel vieles unter. Einerseits wird in der Leber die Bildung von Glucose aus Fett angetrieben und andererseits wird die Einlagerung von Reserven ins Fett oder den Muskel reduziert. Diese Massnahmen sind wichtig, denn pro Kilogramm produzierte Milch benötigt die Kuh 72 g Glucose, dies bedeutet 3,6 kg bei 50 kg Milch. Falls die aufgenommene Energie nicht mehr ausreicht, um diesen Bedarf zu decken, werden die Körperreserven angezapft. Die Fettdepots, die sich die Milchkuh in der Spätlaktation aufbaut, werden zu diesem Zweck verwendet. Wenn jedoch zu viel Körperfett zu schnell abgebaut wird, überfordert dies die Leber und führt zur Bildung von Ketonkörpern. Dies wiederum senkt den Appetit der Tiere und der Teufelskreis der Ketose beginnt zu drehen. Untersuchungen zeigen, dass Kühe mit einem ausreichenden Blutzuckerspiegel früher wieder einen regelmässigen Brunstzyklus haben und weniger anfällig sind für Gebärmutter- und Euterentzündungen.

Ist die Fütterung von Dextrose bei einem Glucosemangel die Lösung?
Auf keinen Fall! Die Kuh mit ihrem Vormagensystem kann nicht direkt von der angebotenen Energie profitieren und das Risiko einer Azidose wird erhöht. Das oberste Ziel muss sein, den «Motor» Pansen mit pansenfermentierbaren Kohlenhydraten (FCH) zu versorgen, um die Glucoseproduktion anzuregen. Dazu gehören auch schnell abbaubare FCH wie Dextrose, jedoch in Kombination mit langsam abbaubaren Struktur-Kohlenhydraten. Bei Risikotieren empfiehlt sich der Einsatz von propylenglykolhaltigen Produkten, um die Leber zu unterstützen.

Praxisempfehlung für die ersten Laktationstage:
Ration / Mischung der Herde + separat sehr gutes Heu
Schmackhaftigkeit der Mischung ev. mit Palasan FORS 8585 verbessern und damit auch zusätzlich fermentierbare Kohlenhydrate in die Ration bringen
Risikotiere mit Propyfors FORS 4750 oder Reglan Quick FORS 2885 versorgen, schon in den Tagen vor dem Abkalben beginnen
Weidegras und Bewegung wirken positiv auf den Energiestoffwechsel, aber die TS-Aufnahme der Kuh und das Wetter müssen stimmen

Was ist mit Futterfett für die Energiebereitstellung?
Fett in der Startphase ja, aber …
Speziell beim Wiederkäuer ist der Einsatz von Fett in der Fütterung beschränkt. Man spricht in der Praxis von max. 5 % der TS in der Gesamtration (GF+NP+KF). Es gibt zwei Hauptgründe für die Einschränkung:
1. direkter Einfluss auf die Insulinproduktion – weniger
Appetit
2. Pansenmikroben können die Rohfaserbestandteile weniger gut verdauen, Verdaulichkeit der Ration sinkt
Es kann aber Sinn machen, in der Startphase ein Kraftfutter einzusetzen, welches energiebetont ist und zusätzliches Fett in pansengeschützter Form liefert. Bei Hochleistungskühen mit hohen Leistungen in den ersten Wochen helfen die Fette aus der Fütterung, den Körperfettabbau zu verlangsamen, was den Stoffwechsel (v. a. die Leber) entlasten kann. Aber Achtung: Erst mit Hilfe von Glucose kann das Futter- und Körperfett umgewandelt und für die Kuh verfügbar gemacht werden.

Kann die Bildung von Glucose in der Kuh gemessen werden?
Beim Wiederkäuer haben durch das komplexe Verdauungssystem zahlreiche Rohstoffe ein unterschiedliches Potenzial, um am Ende Glucose zu bilden. Um dieses Glucose-Bildungsvermögen (GBV) herauszufinden, wurden in den Niederlanden zahlreiche Versuche durchgeführt, mit dem Ziel, jedem Rohstoff seinen GBV-Wert zuzuteilen (siehe Glucose-Bildungsvermögen). Dieses Wissen fliesst in die Formulierung von FORS 2753 Safestart und FORS 2453 Protenat mit ein, um die Kühe unserer Kunden optimal zu unterstützen.

Was ist eigentlich mit dem Protein in der Startphase?
Die Gesamtration sollte auf 15 – 16 % Rohprotein ausgelegt sein, damit der Pansen richtig arbeiten kann. Wir empfehlen mit der Erhöhung des Proteingehalts der Ration solange zuzuwarten, bis die Kuh richtig frisst. Dazu beachten wir die Pansenfüllung (siehe Bild) der Startphasenkühe. Wird die Proteinversorgung früh erhöht, kann zwar die Milchproduktion angeregt werden, jedoch steigt auch wieder das Risiko in eine Unterversorgung an Energie zu geraten. Auf den wirtschaftlichen Erfolg wirkt es sich meist positiv aus, in den ersten Laktationstagen auf ein bisschen Milch zu verzichten und dafür den Stoffwechsel zu schonen und den Brunstzyklus anlaufen zu lassen.

Die Folgen eines starken Energiemangels auf die Gesundheit – Praxiserfahrungen eines Tierarztes

Sind nur Hochleistungskühe mit überdurchschnittlichen Leistungen von Energiemangelsymptomen betroffen?
Grundsätzlich können alle Kühe in allen Laktationsstadien einen Energiemangel haben und entsprechende Symptome zeigen, die Ursachen dafür können verschieden sein. Selbstverständlich sind Kühe mit einer höheren Milchleistung einem viel grösseren Risiko ausgesetzt, vor allem in den ersten 60 – 80 Laktationstagen. Eine mittelschwere Kuh mit einer Tagesmilchleistung von 30 kg Milch benötigt etwa 135 MJ NEL pro Tag. Die gleiche Kuh mit einer Milchleistung von 45 kg Milch pro Tag benötigt dagegen schon etwa 184 MJ NEL pro Tag. Sie sehen, dass die Milchleistung einen massiven Unterschied ausmacht. Gleichzeitig ist ein Energiemangel immer sehr stark von der jeweiligen Fütterung abhängig. Die Frage ist immer, ob die Ration die Bedürfnisse der Kuh decken kann oder nicht.
Welche Folgen haben eine akute Ketose oder ein Energiemangel zu Beginn der Laktation auf den Stoffwechsel und die Fruchtbarkeit der Milchkuh?
Die akute Ketose ist nur die Spitze des Eisberges und heutzutage nicht mehr sehr häufig im Stall anzutreffen. Hingegen leiden sehr viele Kühe an einer sogenannten subklinischen Ketose. Das heisst, die Kühe weisen nicht die klassischen Symptome wie verminderte Fresslust und Rückgang der Milchleistung, trockener und leicht dunkler Kot, typischer Azetongeruch, begleitet von nervösen Störungen wie Blindheit, Belecken von Gegenständen, Speicheln bis hin zu Tobsuchtanfällen und Festliegen auf. Der Nachweis erfolgt bei Verdacht im Harn, Blut oder in der Milch.
Der «unscheinbare» Energiemangel verläuft schleichend und kann eine verminderte Fruchtbarkeit wie verzögertes Versäubern, eine spätere Zyklusaktivität und schlechterer Erstbesamungserfolg, aber auch Labmagenverlagerungen oder Euterentzündungen zur Folge haben.

Eine Ketose wird zudem in eine primäre und sekundäre Ketose unterschieden. Der Unterschied liegt in der Ursache der Ketose: Eine primäre Ketose ist eine echte Stoffwechselerkrankung die Ähnlichkeit mit Typ 2 Diabetes beim Menschen hat. Dagegen ist die sekundäre Ketose meist die Folge einer Beeinträchtigung der Futteraufnahme aufgrund einer anderen Erkrankung (z. B. eine Lahmheit oder eine Geburtsverletzung).

Was sind die drei wichtigsten Punkte, um Gesundheitsproblemen am Anfang der Laktation vorzubeugen?

  • Bedarfsgerechte Ration mit qualitativ hochwertigen Futtermitteln
  • Überwachung und gegebenenfalls Korrektur der Körperkondition während der gesamten Laktation, sodass die Kühe nicht mit einem BCS von > 4 in die Trockenstehphase gehen.
  • Korrekte Galthaltung und -fütterung. Anfütterung mit qualitativ hochwertigem Futter ab drei Wochen vor der Abkalbung.
  • Ich erlaube mir noch einen vierten Punkt zu nennen: Eine leichte und schonende Abkalbung ist der beste Start in die neue Laktation und vereinfacht viele Dinge für die Kuh und hat auch einen immensen Einfluss auf den Energiestoffwechsel der Kuh. Eine gute Überwachung der Tiere und Tiergesundheit nach der Geburt, v. a. Beurteilung der Fresslust, ist entsprechend eine der wichtigeren Vorbeugemassnahmen gegen die Ketose.

Fazit

  • Glucose ist wichtig für die Milchkuh, da der Bedarf für die Milchproduktion hoch ist, jedoch muss die Glucose in der Leber umgewandelt werden und kann nicht direkt gefüttert werden.
  • Eine optimierte Energieversorgung zur Förderung der Glucosebildung in der Startphase mindert das Ketose-Risiko, fördert ein kurzes Intervall zur ersten Brunst und verbessert die Gesundheit der Milchkühe.

Der Grundstein für eine optimale Energieversorgung in der Startphase wird jedoch bereits vor dem Kalben gelegt. Aus diesem Grund widmen wir uns in der nächsten Ausgabe unserer Hauszeitung den Anforderungen der Milchkühe während der Transitphase.

Autor: Philippe Savary / Melanie Weber

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