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Eutergesundheit und Fütterung? Aber sicher!

Euterentzündungen zählen zu den häufigsten Krankheiten im Milchviehstall. Neben dem zeitlichen Mehraufwand verursachen sie hohe Kosten und Leistungseinbussen, sodass grosse wirtschaftliche Schäden entstehen. In der Bestandesbetreuung von Milchviehbetrieben spielt deshalb die Eutergesundheit eine zentrale Rolle.

VERSCHIEDENE ERREGER – GLEICHES BILD

Der grösste Teil der Zellzahlerhöhung in der Milch ist durch weisse Blutkörperchen bedingt. Bei einer Infektion des Euters entsteht eine klassische Entzündungsreaktion. Dabei werden als erste Immunantwort zahlreiche weisse Blutkörperchen rekrutiert, welche im entzündeten Gewebe die Infektion bekämpfen, wodurch Zellschäden entstehen. Der Mechanismus des Immunsystems ist ähnlich, sowohl bei infektiösen Entzündungen als auch bei einer Verletzung des Gewebes durch einen Schlag oder eine Reizung. Typische Anzeichen einer klinischen Entzündung sind Rötung, starke Erwärmung, Schwellung oder Verhärtung und Störung der Milchproduktion. Darauf folgen, je nach Schweregrad der Infektion, eine schlechte Futteraufnahme und ein gestörtes Allgemeinbefinden sowie Fieber und eine fehlende Pansenmotorik.

Eine wichtige und heute sehr häufige Ursache für eine Entzündung des Euters ist eine bakterielle Infektion, verursacht durch verschiedene Erreger wie zum Beispiel Streptococcus uberis, Klebsiellen sp. oder Staphylococcus aureus (siehe Tabelle unten). Klassischerweise unterscheidet man zwischen kuhassoziierten Erregern, bei welchen die Keime während dem Melken respektive mit dem Melkzeug von Kuh zu Kuh übertragen werden, und Umwelterregern. Umwelterreger infizieren das Euter zwischen den Melkzeiten. Die Übergänge zwischen diesen Kategorien sind zum Teil fliessend. Neben der häufigen Infektion mit Bakterien können auch Hefen, also Pilze, das Euter infizieren und krank machen. Viren kommen praktisch nicht vor als Krankheitserreger, man beachte aber die jüngsten Fälle in Amerika mit Influenzaviren.

GLEICHE KRANKHEIT – VERSCHIEDENE FAKTOREN

Die Euterentzündung ist bekanntlich eine Faktorenkrankheit. Diese sind betriebsindividuell und variieren über die Zeit. Entsprechend ist bei einer Betriebsanalyse durch TBB-Rind (Tierärztliche Bestandesbetreuung) die Gewichtung und Beurteilung der verschiedenen Bereiche immer mit eingeschlossen und von entscheidender Bedeutung.

Eine unzureichende Hygiene in der Stallumgebung, beispielsweise bezüglich der Boxen- und Lägerpflege sowie während des Melkens, sorgt für einen starken Erregerdruck. Durch systematisches sauberes und korrektes Reinigen vor dem Anhängen kann dieser Druck minimiert werden. Das Vorhandensein von Warzen an den Zitzen oder von Verletzungen stellt ein erhöhtes Risiko dar, weil dadurch die Barriere des Zitzenverschlusses behindert wird und eine Reinigung nicht einfach erfolgen kann. Eine fehlerhafte Melktechnik, wie Vakuumschwankungen oder Defekte an der Melkanlage, Blindmelken und eine vernachlässigte Melkvorbereitung können die Zitzen und das Euter übermässig reizen oder ungenügend entleeren und dadurch schwächen.

STOFFWECHSELPROBLEME – EIN GROSSES RISIKO

Ein gesundes Tier mit einem guten Abwehrsystem erträgt viel mehr als ein Tier, das bereits mit einem anderen Problem zu kämpfen hat. Vorausgehende Erkrankungen schwächen die Tiere, wodurch sie anfälliger für Euterentzündungen sind. Sehr gefürchtet sind Erkrankungen rund ums Abkalben und Stoffwechselprobleme in der Startphase, da sie grosse Probleme verursachen und Auswirkungen auf vielen Ebenen zeigen. Ein Beispiel dafür ist, dass eine Kuh mit Ketose viel häufiger an einer Infektionskrankheit erkrankt, weil das Immunsystem unter anderem wegen der fehlenden Energie geschwächt ist. Ebenfalls zeigen solche Tiere langfristig Probleme, zum Beispiel im Bereich der Fruchtbarkeit, und sie gehen häufiger lahm. Je nachdem wie viel Fett die Kuh abgebaut hat und ob das gelöste Fett in der Leber eingelagert wurde, gehen die Probleme in der nächsten Laktation weiter. Die Leber hat als zentrales Stoffwechselorgan auch für das Immunsystem eine wichtige Funktion.

FÜTTERUNG UND STRESSVERMINDERUNG – ZENTRALE GRUNDLAGEN IN DER VORBEUGUNG

Eine nicht wiederkäuergerechte und nicht ausgewogene Fütterung begünstigt das Auftreten von Eutererkrankungen. Ein typisch schwächender Faktor ist eine Pansenübersäuerung oder eine schlecht ausgeglichene Ration. Überbelegung, Transport oder die Hitze beansprucht die Tiere stark und hindert sie an einer ausreichenden Futteraufnahme. Unvorteilhaft ist auch verunreinigtes oder mykotoxinbelastetes Futter. Das Laktationsstadium und die Milchmenge spielen natürlich auch eine Rolle. Kühe in der Frühlaktation, die viel leisten, sind anfälliger auf Infektionskrankheiten. Umso wichtiger ist eine ausgeglichene, leistungsgerechte Ration.

Ein Faktor, welchem in der Vergangenheit zu wenig Beachtung geschenkt wurde, ist der Stress der Kühe. Jegliche Art von Stress, beispielsweise sozialer Stress in der Herde, ein Stallwechsel oder Hitzestress, hat eine negative Konsequenz für Kühe und insbesondere für das Immunsystem. Entsprechend sind sie anfälliger auf Erkrankungen. Nicht vergessen darf man die Auswirkung der Genetik. Es gibt Linien, die anfälliger für Mastitis sind, zum Beispiel durch die Vererbung eines schlechten Zitzenschliessmuskels.

ÜBERWACHUNG DER EUTERGESUNDHEIT – ZAHLEN ALS HILFSMITTEL

Mithilfe von regelmässigen Milchprobenuntersuchungen anhand der Milchleistungsprüfung gewinnt man einen Überblick über die Situation der Eutergesundheit der Herde und des Einzeltieres. Daneben ist die Anzahl der klinischen Euterentzündungen eine wichtige Überwachungsgrösse der Eutergesundheit auf einem Betrieb. Um die Eutergesundheit auf einem Betrieb besser darstellen zu können, verwendet die TBB-Rind Kennzahlen. Unten stehend sind die wichtigsten Zielwerte aufgeführt:

  • Theoretische Tankzellzahl: <100’000 Zellen/ml
  • unter 20 % der Kühe: >150’000 Zellen/ml
  • Anzahl klinischer Mastitiden in den letzten drei Monaten: <10 % der Herde
  • Abgänge aufgrund von Eutererkrankungen: 7 %

Zusätzlich zu diesen Kennzahlen gehört ein Monatscheck zur Bestandesbetreuung von TBB-Rind. Diese Zahlen zeigen den Status quo und die Tendenzen noch besser auf, weshalb sich der Monatscheck auf den betreuten Betrieben sehr gut etabliert hat.

Trotz aller Automatisierung und fortgeschrittenen Sensortechniken im Bereich der Tiergesundheitsüberwachung und Milchqualität ist und bleibt die visuelle Kontrolle zentral und unerlässlich. Die regelmässige Beobachtung des Euters auf Schwellung und Schmerzen, Rötungen oder grobe Veränderung der Milch sowie die Schulung der Mitarbeitenden auf die Erkennung sind wichtig. Der Schalmtest ist ein sehr einfacher, aber aussagekräftiger Test, der verwendet werden kann, um zu erkennen, ob und welche Euterviertel betroffen sind. Daneben ist auch die Analyse von Milchproben unerlässlich. Steril entnommene Proben helfen, den Leitkeim der Herde zu identifizieren. Durch die Bestimmung oder das Ausschliessen von Erregern können dann die jeweils passenden Massnahmen eingeleitet werden.

Die Praxis TBB-Rind bietet, wie der Name schon sagt, umfangreiche Tierärztliche Bestandesbetreuungen auf Rindviehbetrieben an. Ganz nach dem Motto «Vorbeugen statt heilen» soll die Tiergesundheit und damit auch die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden. Beat Berchtold hat die TBB-Rind 2014 ins Leben gerufen. Miriam Hauser ist seit 2023 im Team als Tierärztin tätig. Mehr Infos auf: www.tbb-rind.ch

Autor: Miriam Hauser, TBB-Rind

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